Das Grab ist Leer
Impuls zu Ostern 2021
Das Grab ist leer!
Auf dem roten Platz in Moskau liegt seit dem Jahr 1924 in einem eigens dafür gebauten Mausoleum der frühere Führer der Kommunistischen Partei, Wladimir Lenin. Man hat ihn nach seinem Tod einbalsamiert und SO hergerichtet, dass er heute noch betrachtet werden kann. Und immer noch sind Ärzte und Wissenschaftler damit beschäftigt, diesen Zustand zu erhalten. Der Tote bleibt. Aber wohlgemerkt: Es ist der Zustand eines Toten, der erhalten wird! Es mag dabei fast grotesk klingen, dass zwar der Tote bleibt, aber die idee des Kommunismus längst in vielen Teilen der Welt an Attraktivität und Lebendigkeit verloren hat. Immer wieder gibt es Stimmen, den Toten der Erde zu übergeben und das Mausoleum zu schließen.
Wie anders klingt da die Geschichte des Christentums. Wir feiern Ostern. Wir feiern, dass Christus lebt. Das Grab Christi, in dem ebenso ein einbalsamierter Toter lag, ist seit über 2000 Jahren leer. Weil die Jünger das sahen, glaubten sie. „Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste" (Joh 20,9). So beschreibt es das Evangelium, Das leere Grab ist der Grund des österlichen Glaubens. Was ist geschehen in der Nacht, von der es im Exultet, das in der Osternacht gesungen wird, heißt, dass es allein der Nacht vergönnt war, „die Stunde zu kennen, da Christus erstand von den Toten"?
Das Wort, das die Kirche glaubend in den Mund des Auferstandenen legt, ist ein unglaubliches Bekenntnis: in der Verlassenheit des Gründonnerstagsabends und in der Dunkelheit des Karfreitags war die bergende und liebende Hand Gottes da. Der Vater hat immer zu seinem Sohn gehalten. Ja, der Vater hat den Sohn gehalten. Und darin liegt seitdem auch für alle Menschen die Hoffnung, in den Händen Gottes Halt zu finden.
Die Osterbotschaft tröstet, weil sie die Furcht vor dem Tod nimmt. Aus dieser Wirklichkeit zu leben bedeutet deshalb, nicht mehr von der unnützen Sorge getrieben zu sein, die Toten zu balsamieren, damit sie bleiben. Sondern es gilt nach dem Ewigen und dem Bleibenden Ausschau zu halten. Deshalb hat auch die Taufe im Ostergeschehen ihren Ursprung, in der der Mensch von Gott in das unendliche Leben einbalsamiert wird. Die Materie wird beseelt und verinnerlicht sich. Das Leben kommt von Gott und kehrt zu ihm zurück. Und so bleibt nicht der Tod, sondern das Leben.
Wenn wir Ostern feiern, sind wir eingeladen, von dieser Gewissheit unseres Lebens in der Welt Zeugnis zu geben. Denn nur durch unser neues gesalbtes Leben wird die Welt erfahren, dass es einen Weg aus aller Todesverfallenheit, aus allem Krieg und aus allem Leid gibt.
Das Christentum ist dabei immer und zu allererst eine Geschichte Gottes mit den Menschen, und zwar mit Abraham und Mose, mit Jesus und den Frauen und Jüngern, die heute zum Grabe kommen.
Und auch mit uns selbst.
In uns und durch uns will Gott in dieser Welt leben.
Deshalb sind auch wir zum österlichen Leben berufen.
Ich wünsche uns allen eine frohe und gesegnete Osterzeit 2021 in dieser für uns alle herausfordernden Zeit.
Wigbert Schwarze
Pfarrer und Dechant